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Wie wirksam ist Ihr Feedback?

Es gibt selten ein Thema, bei dem sich Führende vermutlich rund um den Globus einig sind: Feedback ist enorm wichtig. Dennoch ist fehlendes Feedback einer der am häufigsten genannten Kündigungsgründe. Was läuft hier schief? Und was können Sie daraus für Ihren Alltag lernen?

Vermutlich ist es etwas weit hergeholt, diesen Artikel auf das Schicksal bemitleidenswerter Boten zu stellen, die schlechte Nachrichten schon mal mit dem eigenen Leben bezahlten. Die Überlebenden hingegen lernten, Nachrichten positiver zu formulieren – und blieben schadlos. Denn schon sie haben erkannt, dass Überbringer schlechter Nachrichten in ihrer Persönlichkeit negativer beurteilt wurden als jene, die gute Nachrichten überbrachten. Das machte es ihnen in der Gesellschaft schwerer bzw. leichter, Anschluss und Anerkennung zu finden. Und diese Erkenntnis steckt im Kern dessen, was Feedbackprozesse auch heute noch beeinträchtigt: Verlust von Zugehörigkeit.

Zuerst nehmen dann geben

Ich bin ein Verfechter, Feedback unverblümt, rasch und persönlich zu geben. Unter dem Begriff «radical candor» wurde bereits einiges publiziert. Doch funktioniert eine ehrliche Offenheit nur in einer passend gestalteten Kultur. Denn wenn sich Mitarbeitende beispielsweise nicht gegenseitig vertrauen oder nicht sicher sind, ob oder wie ihnen ein (negatives) Feedback ausgelegt wird, formulieren sie es um, schwächen es ab oder halten sich grundsätzlich zurück.

Hilfe kommt mit einem Trick: Geben Sie anderen Feedback in der Hoffnung, selbst auch Feedback zu erhalten, werden Sie in der Regel enttäuscht. Wenn Sie jedoch spezifisch nachfragen: «Wie hast Du meine Darstellung der jüngsten Umsatzzahlen verstanden?», «Wie könnte ich meine Empfehlung zum weiteren Vorgehen im Beratungsprojekt noch besser auf den Punkt bringen?», zeigen Sie sich verwundbar und machen den ersten Schritt. So ist es für ihre Gesprächspartner einfacher, in den Diskurs einzusteigen und in der Folge ebenfalls nach Feedback zu fragen. So wird Ihr Kommentar freiwillig nachgefragt uns Sie brauchen ihn nicht aufzudrängen. Jedoch ist das erst Ihr erster Schritt. Denn Sie sollten zudem auf ihre Worte achten. Darauf gehe ich im nächsten Kapitel ein.

Doch zuerst möchte ich Sie noch auf ein Phänomen hinweisen, welches mir in meiner frühen Karriere vermutlich mehr geschadet als geholfen hat – die sogenannte «ungefragte Beratung». Der Begriff scheint selbsterklärend und Sie denken womöglich, das tut man nicht, ist unhöflich und von oben herab. Sie haben recht. Und trotzdem werden Sie sich an Situationen erinnern, in denen Sie jemandem einen Tipp gegeben haben, obwohl sie/er nicht danach gefragt hat. Als ich mir dieses Verhaltens bewusst geworden bin, habe ich am eigenen Leib den Unterschied zwischen gut und gut gemeint gespürt. Mir hätte es früher zweifelsohne geholfen, wenn mich jemand darauf hingewiesen hätte. Doch wäre das ebenfalls ungefragt geschehen und hätte mich deswegen vermutlich eher irritiert statt unterstützt.

Worte adressatengerecht wählen

Halten Sie sich an das Motto, andere Menschen so zu behandeln, wie sie behandelt werden wollen (und nicht, wie Sie selbst behandelt werden möchten). Während ein einfaches Wort wie «unzureichend» für die einen ein Hinweis ist, hat es für andere eine existenzbedrohende Dimension. Das hat nichts mit Hypersensibilität zu tun. Für diese unterschiedliche Wahrnehmung gibt es viele Erklärungen. Nicht erst seit wir in der Führungsausbildung über unterschiedliche Typen sprechen und diese Typen mittels Profilen ermitteln (MBTI, DISG, Insights Discovery, Jaagou, …) wissen wir, dass wir Mitarbeitende unterschiedlich ansprechen sollten.

Darüber hinaus gibt es weitere Gründe: Da wären beispielsweise kulturelle Unterschiede. Viele Führungsteams setzen sich heute aus mehreren Nationalitäten mit diversen kulturellen Eigenheiten zusammen. Müssen solche Teams Konflikte, Spannungen oder Herausforderungen meistern, können die Individuen ganz unterschiedlich reagieren und die Zusammenarbeit beeinflussen. Das wiederum kann andere, die nicht verstehen, was gerade passiert, irritiert oder gar glauben machen, dass sie sich nicht auf ihre Teamkolleg:innen verlassen können.

Und schliesslich arbeiten in Teams auch unterschiedliche Generationen. Sie haben den Umgang mit Feedback anders erlernt. Ich Verständnis über Inhalte, Ablauf und Rollen sind unterschiedlich. Während für Ältere Feedback tendenziell top-down erfolgt, geben Jüngere ihr Feedback in alle möglichen Richtungen. Und während die einen auf den offiziellen Feedbacktermin Ende Jahr warten, sind die anderen laufend daran, ihre Beobachtungen mitzuteilen. Zeichnen Sie eine Teamlandkarte nach Nationen und Generationen (und alle anderen Dimensionen, die für Sie und/oder in Ihrem Unternehmen wichtig sind) und verorten Sie dann Ihre Mitarbeiter:innen – so können Sie ihre Worte und die Zeitpunkte für Feedback besser wählen, reduzieren Irritation und helfen allen, rascher und wirksamer besser zu werden.

Hinweis: In der Ausbildung zum Coach lernt man, Klienten Mut zu machen auch in Phasen der Ernüchterung. So ist das Feedback «nicht genügend» härter zu akzeptieren als «noch nicht ganz so, wie erwartet». Nützen auch Sie die positive Kraft, die in «noch nicht» steckt – diese Wortwahl kann Berge versetzen und dadurch neue Wege aufdecken, um an ein bestimmtes Ziel zu kommen.

Inhalt hilfreich strukturieren

In ihrem jüngsten Artikel in der HBR weist Erin Meyer (Professorin am INSEAD) darauf hin, dass Feedback besonders wirksam wird wenn:

“[…] feedback must be intended to assist. (It should always be provided with the genuine intention of helping your counterpart succeed and never be given just to get frustration off your chest.) […] it must be actionable. If it is not crystal clear from your input what your counterpart can do to improve, then keep it to yourself.”

Zwar zahlt heute niemand mehr mit seinem Leben, sollte eine Nachricht dem Empfänger nicht genehm sein. Dennoch ist es in der Verantwortung der Feedback-Geber die passenden kulturellen Rahmenbedingungen zu schaffen sowie die richtigen Worte zu wählen. Das sind zwei wesentliche Ursachen dafür, dass Feedback nicht ankommt und/oder keine Wirkung erzeugt. Und dann bleiben Menschen und Organisationen stehen. Fazit: Ihr Feedback wirkt nur, wenn vom gegenüber kontextualisiert werden kann – und dafür können und sollten Sie sorgen (auch wenn Sie mich tatsächlich nicht danach gefragt haben…).

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