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Führungsteams fokussieren!
Welchen Anspruch stellt Ihr Führungsteam an sich selbst? Und wie konsequent verfolgt es diesen? Für viele Führende ist die Arbeit in Führungsteams eine frustrierende Routine: ausufernde Diskussionen, unausgegorene Vorschläge, kurzfristig eingebrachte Themen – kurz: knietiefe operative Arbeit statt Gestaltung optimaler Rahmenbedingungen. Gibt es einen Ausweg?
Eigentlich wissen wir alle, dass uns eine Aufgabe dann am meisten anspricht und motiviert, wenn wir Spass haben und einen Beitrag, ein Resultat erkennen. Wir sind dann auch eher bereit, Unangenehmes auszuhalten bzw. Verbesserungen vorzunehmen. Wenn sich nun viele Führenden über Führungsmeetings beklagen, dann weil sie dort diese positive Energie vermissen (und vermutlich keine Verbesserung umsetzen können). Das ist nicht nur bedauerlich, sondern auch verheerend in Anbetracht der Aufgaben und Leistungen, die ein Führungsteam erbringen könnte und sollte. Bevor ich einen Lösungsansatz vorstelle, möchte ich vier Ursachen besprechen, die hinter dieser unglücklichen Situation stehen.
Tradierte Reaktionen
Unternehmen produzieren ständig Situationen, die eine Entscheidung verlangen. Doch sind heute die Konsequenzen solcher Entscheidungen kaum noch eindeutig zu ermitteln. Die vielfältige Verknüpfung zwischen Aufgaben, Prozessen und Systemen erreicht eine lähmende Komplexität und bildet folglich einen Entscheidungsstau. Themen werden deswegen wieder und wieder bearbeitet und die Lust sinkt, sich weiter damit auseinanderzusetzen – der Backlog steigt, Pendenzenberge nehmen zu.
Führungsteams laden deswegen oft «Gäste» an ihre Meetings ein, die nur selten darauf vorbereitet werden, Informationen stufengerecht aufzuarbeiten und in eine passende Perspektive zu setzen. Es liegt vermutlich in der Natur der Sache, dass Gäste vor allem ihre Interessen wahrnehmen, «ihr» Geschäft durchbringen wollen. Damit verschärfen sie eher das Problem als es zu lösen: Das Führungsteam versinkt dann noch tiefer in operative Argumentationen. Oft auch weil es nichts anderes gelernt hat und damit seine Funktionsweise (unbewusst) tradiert und perpetuiert.
Instrumentalisierung von unten
Und dann ist da noch die Politik, also der Kampf um Ressourcen, Einfluss und Macht. Sie kann die skurrilsten Verhaltensformen hervorbringen: Mitarbeiter, welche ihre Vorgesetzten manipulieren, indem sie die Dringlichkeit ihrer Anträge künstlich aufblähen, eine breite Lobby aufbauen und vor allem negative Folgen aufbauen, die dem Unternehmen drohen, sollte ihr Antrag nicht sofort behandelt und bewilligt werden. Dabei begründen sie ihre Partikularinteressen mit potentieller Kundenabwanderung, Ausfall von Systemen oder möglichen Kündigungen zentraler Schlüsselspieler.
Nicht selten höre ich in dem Zusammenhang den Begriff «pre-cooked dinner», mit dem Führende den Umstand beschreiben, dass die Entscheidungen schon längst gefällt wurden und das Führungsteam (von Mitarbeitenden aber auch von Peers) dazu benutzt wird, diesen Entscheid zu offizialisieren.
Unzureichendes Rollenverständnis
Die wenigsten Mitglieder sind sich bewusst, dass sie zwei Hüte tragen und dass mit diesen Hüten unterschiedliche Rollen und Verhalten verbunden sind.
In der Regel werden Mitarbeitende in Führungsteams gewählt, sie sich durch besondere Leistungen verdient gemacht haben. Entweder konnten sie wichtige Projekte erfolgreich abschliessen, kritische Verhandlungen gewinnen oder regelmässig bedeutende Aufträge akquirieren. Diese Aufzählung liesse sich beliebig erweitern. Leider müssen sie (und ihre Teamkolleginnen und -kollegen) schmerzlich erfahren, dass es bei der Arbeit im Führungsteam nicht ums Gewinnen, sondern ums Gestalten geht. Dass einzelne Punktlandungen weniger im Zentrum stehen als Rahmenbedingungen. Und dass dazu langfristige und kollektive Perspektiven notwendig sind.
Eine der unangenehmeren Führungsherausforderungen entsteht meines Erachtens dann, wenn Eigenbild und Fremdbild einer Person auseinanderdriften. Deswegen ist es wichtig, dass Führende verstehen, dass sie zwei Hüte tragen und sich den damit verbundenen Anforderungen bewusst sind.
Aus meiner Sicht liesse sich dieser Reibungs- und Anpassungsprozess substanziell reduzieren, wenn neue Mitglieder quasi in einem speziellen Boot Camp darauf vorbereitet werden – idealerweise durch den Teamhead selbst. Ich nenne diese Leistung auch gerne «notwendiger Verschleiss», dem ich beim japanisch-orientierten Kaizen Ansatz begegnet bin. Stark vereinfacht bezeichnet er eine unproduktive Leistung, welche jedoch die Gesamtproduktivität fördert.
Vernachlässigtes Teambuilding
Teamheads haben eine nichtdelegierbare Führungsaufgabe: Ihr Team laufend weiterzuentwickeln, es auf bestehende und kommende Herausforderungen auszurichten bzw. vorzubereiten. Leider wird dieser Entwicklungsprozess zu oft auf eine jährlich wiederkehrende Veranstaltung in einem exklusiven Hotel beschränkt. Stattdessen wäre eine alltägliche Auseinandersetzung mit der erzeugten, kollektiven Teamwirkung im System wesentlich wirkungsvoller. Dadurch kann ein Team rascher seine Performanceblockaden erkennen und gemeinsame oder auch individuell Entwicklungsschritte bestimmen.
Selbstverständlich sind gemeinsame Events ausserhalb des Unternehmens hilfreich für das Teambuilding. Jedoch vor allem dann, wenn sie ein einziges Ziel verfolgen und sicherstellen: Das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Spätestens nach der Lektüre von Patrick Lencionis Analyse der fünf notwendigen Teamfähigkeiten wird klar, dass eine solide Vertrauensbasis die Grundlage für alle Leistungen bildet, die ein Führungsteam erbringen sollte. Ich schlage zudem vor, dass das Team – quasi als Erweiterung der Vertrauensbildung – eine Erwartungsmatrix komplettiert wird. Es handelt sich dabei um eine einfache Tabelle, in der die expliziten Erwartungen von allen an alle schriftlich festgehalten werden – nachdem diese paarweise ausgetauscht, kommentiert und diskutiert worden sind.
Lösungsansatz: Einen konkreten Teamzweck definieren. Ein konstruktiver Ausweg und damit eine Möglichkeit, den Spass an der Arbeit in Führungsteams wieder zu finden und zu stärken, besteht darin, dass sich das Team einen eindeutigen, bedeutsamen und herausfordernden Teamzweck setzt. Selbstverständlich gilt der nicht für immer und bedarf einer regelmässigen Revision, dennoch bietet er Stabilität, Orientierung und damit auch Selbstsicherheit in der Wirkung, im Auftritt und in der Kommunikation.
Damit die Arbeit am Teamzweck nicht in ellenlange Diskussionen ausufert und schliesslich nur ein paar generelle (und womöglich nichtssagende) Statements produziert, starte ich gerne mit folgender Frage:
«Was wäre im Unternehmen nicht möglich, wenn es dieses Team nicht gäbe?”
Andere Autoren unterstützen die Arbeit am Teamzweck auch mit Fragen wie «Was würde vom Tisch fallen, wenn wir uns nicht darum kümmern würden?». Hilfreich finde ich auch die Frage des äusserst bemerkenswerten und leider bereits verstorbenen Harvard-Professors Clayton Christensen: «What job did the company hire this team for?». Alle diese Fragen haben ein Ziel: Die Fokussierung von Teams auf das wirklich Wichtige. Allein die Diskussion unter den Teammitgliedern zu möglichen Antworten, erachte ich als eine der vermutlich stärksten Beiträge an eine Teamentwicklung. Doch dann gilt es, sich den Erkenntnissen mutig zu stellen und beispielsweise die Agenda der Führungsmeetings umzustellen, Anforderungen an «Gäste» zu definieren und Zeit für die Arbeit am statt im System zu sichern.
Ich habe Führende bislang meistens als engagierte Menschen kennengelernt, die einen Beitrag an die Zukunft des Unternehmens leisten wollen. Doch wenn dieser Beitrag nicht möglich wird oder die gemeinsame Arbeit im Team weder bedeutsam noch herausfordernd ist, verlieren sie dieses Engagement und die Freude.
Lassen Sie es nicht so weit kommen und stärken Sie durch den Teamzweck Ihren Fokus. Er ist gemessen an seiner breiten Wirkung mit bescheidenem Aufwand zu erreichen. Allein die Erleichterung aller Teammitglieder über den Sinngewinn sollte Ihnen Grund genug sein, diese Aufgabe anzugehen. Melden Sie sich, wenn ich Ihnen dabei behilflich sein kann.