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Psychohygiene für Unternehmen
Psychohygiene für Unternehmen: Wie Sie destruktives Führungsverhalten entlarven.
Viele Menschen leiden unter destruktiven Taktiken ihrer Vorgesetzten. In einem derart toxischen Arbeitsumfeld können sie sich nicht entfalten. Schärfen Sie Ihren Blick für solche Taktiken – anhand dreier Beispiele.
In meiner Arbeit bin ich bereits auf viele destruktive Taktiken gestossen. Sie torpedieren die Kooperation und Kommunikation, bremsen den Leistungsprozess, schüren Konflikte und fördern Machtspiele.
Sie alle schädigen primär zwischenmenschliche Beziehungen – schüren Angst, fördern Misstrauen und Willkür. Die folgenden drei Beispiele sind vermutlich nicht die verheerendsten, jedoch sind sie sehr oft zu beobachten – und damit einfach zu entlarven.
1. Zuhören, um zu gewinnen.
Führende versuchen die eigene Unsicherheit oft zu kaschieren, indem Sie Mitarbeitende nicht zu Wort kommen lassen oder deren Argumente zerpflücken, anstatt sie sich anzuhören. Oft lassen sich dabei drei Taktiken unterscheiden:
- Führende täuschen Interesse vor: Sie hüllen Mitarbeitende in ein Scheinvertrauen. Dadurch fühlen die sich bestärkt und legen alle ihre Argumente offen. Diese werden danach gegen sie selber verwendet.
- Führende werden persönlich: Sie zielen mit Ihren Argumenten direkt auf den sich exponierenden Mitarbeitenden und weisen unerbittlich hin auf inhaltliche Mängel, lächerliche Begründungen oder unrealistische Annahmen. Sie überzeichnen die Komplexität des «grossen Ganzen» und ersticken weitere Diskussionen mit dem Verweis auf Ihre jahrelangen Erfahrungen und Expertise.
- Führende nützen weltmännische Worthülsen: Mit nichtssagenden Argumentationen, ausschweifenden, zusammenhangslosen Erklärungen oder an den Haaren herbeigezogenen Begründungen lassen sie Mitarbeitende oder auch Initiativen ins Leere laufen. Sie verwirren bewusst und lösen diese sodann mit eigenen Vorschlägen selber wieder auf.
Tipp: Entlarven Sie diesen «listen to win» Ansatz. Ermutigen Sie stattdessen, so viel wie möglich aus Gesprächen zu lernen («listen to learn»). Denn sonst stoppt dieser destruktive Ansatz garantiert das Engagement und frustriert Mitarbeitende. Ihre Leistung geht merklich und für lange Zeit zurück.
2. Zustimmung fordern.
1988 hat der Psychologieprofessor Jerry Harvey das «Abilene Paradox» vorgestellt (siehe Harvey, Jerry, B.; (1988): The Abilene Paradox – the Management of Agreement). Es zeigt, wie sich eine Gruppe von Menschen zu einer Aktion entschliesst, die keines der Individuen persönlich wollte (nämlich eine stundenlange Reise nach Abilene, ein Ort, den niemand interessiert, in einem nicht klimatisierten Auto bei brütender Hitze und staubigen Strassen). Dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit, wurden die individuellen Wünsche, Ideen, Meinungen untergeordnet.
Ich beobachte oft, dass Führende einen Keil zwischen die Mitarbeitenden treiben. Sie wollen dadurch die Anhänger von den Rebellen trennen, über Zugehörigkeit oder Ausschluss «regieren». Viele erklären mir diese schwarz-weisse, destruktive Taktik mit Angst vor Machtverlust. Doch wenn wir aufhören, Dinge zu hinterfragen oder uns als Alleinwissende/r verstehen, bremsen wir die Entwicklungsdynamik im Unternehmen: Mitarbeitende fürchten sich vor Isolation oder Sanktionen, Teams lernen nichts, neue Ideen werden nicht geäussert – kurz: Das Unternehmen verfault von innen.
Tipp: Entlarven Sie diesen Zwang zur Zustimmung. Viele Führende üben sich darin, Widerrede nicht bloss zu tolerieren, sondern bewusst einzufordern, um Schwachstellen in der eigenen Argumentation, im Konzept oder einer Präsentation zu finden (siehe Taylor, Bill (2017) und #attitude_02 «first time right»](/first_time_right)).
3. Unternehmenskultur übergehen.
Nicht selten höre ich das Argument, dass wer sich mit Werten, Kulturen oder gar dem Sinn im Unternehmen beschäftigt, falsch eingesetzt und für den harten Wettbewerb nicht geeignet sei. Zudem setzten diese Themen falsche Impulse beispielsweise in der Rekrutierung: So würden Menschen angesprochen, welche sich nicht für den zentralen Leistungsprozess einsetzten, sondern sich lieber mit Irrelevantem oder Abgehobenem beschäftigen, deswegen die Kooperation stören und schliesslich eine unternehmerische Schieflage provozieren. Dazu passt das Zitat eines Kunden, der mich damit kurz sprachlos gemacht hat:
«If my people talk about values, I dramatically increase pressure».
Wenn Mitarbeitende den Beitrag des Unternehmens an die Gesellschaft nicht erkennen oder die Werte des Unternehmens nicht spüren, erscheint ihre Arbeit sinnlos und sie machen Dienst nach Vorschrift. Energie- und freudlos prägen sie das Unternehmen, das deswegen ohne Charakter und Ausstrahlung im grossen Sumpf der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Tipp: Entlarven Sie den zynischen Umgang mit der Unternehmenskultur. Machen Sie sie stattdessen für Mitarbeitende spürbar, indem Sie beispielsweise Entscheidungen explizit damit begründen (siehe McKinsey Quarterly; Dezember 2021; Purpose, not platitudes: A personal challenge for top executives).