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Wie Sie mit vier Systemwirkungen Ihre Transformationen unterstützen.

Wir leben zugleich in vielen verschiedenen Systemen. Viele nehmen wir oft kaum wahr und dennoch beeinflussen sie unser Verhalten. Transformationen verändern Systeme. Das bleibt nicht folgenlos. Daher sollten sich Führende mit vier Systemwirkungen auf Mitarbeitende vertraut machen und aktiv gestalten: Zugehörigkeit, Platz, Geschichte und Austausch.

Die Suche nach einer einheitlichen Definition des Begriffs «System» bleibt erfolglos – zu vielseitig schillert dieser Begriff. Dennoch verwenden wir ihn tagtäglich und glauben vermutlich auch, dass wir alle dasselbe darunter verstehen. Das lässt sich hier nicht aus der Welt schaffen. Deswegen orientiere ich mich in diesem Artikel an der folgenden Beschreibung:

Als System (altgriechisch sýstēma „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird etwas bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und damit von anderem abgrenzbar sind. (Wikipedia; «System»; abgerufen am 27.2.2023)

Ein System ist mehr als die Summe seiner Komponenten und deswegen kann sich ein System auch anders verhalten als diese Komponenten. So haben Autoren beispielsweise versucht, mit den Begriffen Schwarmintelligenz oder Schwarmdummheit auf die positiven bzw. negativen Abweichen des Systems von einem durchschnittlich zu erwarteten Verhalten Rechnung zu tragen.

Im Folgenden möchte ich vier Auswirkungen von Systemen auf Mitarbeitende beleuchten. Sie führen ebenfalls zu Abweichungen vom Erwarteten. Und sie zeigen, dass Systeme eine eigene Dynamik entwickeln, die – gerade in Veränderungen – durchaus Widerstand erzeugen kann. Deswegen sollten Sie sich als Führende von Transformationen mit diesen vier Auswirkungen vertraut machen.

Zugehörigkeit

Systeme haben Grenzen. Dadurch lassen sie sich von anderen Systemen unterscheiden oder auch abgrenzen. In einem Unternehmen beispielsweise können sich Mitarbeitende zu unterschiedlichen Subsystemen zugehörig fühlen – und zu anderen nicht. Es entsteht eine subtile, aktive Auswirkung des Systems auf Mitarbeitende: Prägungen, Stallgeruch und (psychologische) Sicherheit. Über Zugehörigkeit tradiert ein System seine Werte, seine raison d’être und sichert sich dadurch seine zukünftige Existenz und Bedeutung.

Bedeutung für die Transformation: Damit Mitarbeitende ein System aktiv verändern helfen, sollten Führende die bisherige Zugehörigkeit erkennen und auf das neue System übertragen helfen. Das ist insbesondere dann schwierig (und wichtig), wenn ein anderes Verhalten erwartet wird: Sobald Führende beispielsweise nicht mehr länger die Probleme der Mitarbeitende lösen, sondern vermehrt ein eigeninitiatives Handeln einfordern sollen, stellen sich viele die Frage, zu welchem System sie sich (noch) zugehörig fühlen sollen oder wollen. Solange sie diese Frage für sich nicht beantworten können, werden wichtige Ressourcen gebunden, die dann eben nicht für die erwünschte Veränderung genützt werden können.

Mein Tipp: Erwähnen Sie nicht nur die Vorzüge einer Veränderung, sondern zeigen Sie, wie man sich danach begegnet und zusammenarbeiten. Bringen Sie Betroffene häufig zusammen und lassen Sie sie über Erfahrungen reden und voneinander lernen. Damit wird das neu erwartete Verhalten nicht zum Feind des alten Systems, sondern zu seinem Upgrade. Das erleichtert Mitarbeitenden, die bisherige Zugehörigkeit in die Zukunft zu tragen.

Platz

Selbst wenn sich Mitarbeitende zu einem System zugehörig fühlen, befriedigt das nicht ihr Bedürfnis nach einem (erkennbaren, definierten, bedeutenden) Platz in diesem System. Dieser Platz eröffnet beispielsweise spezifischen Zugang zu Informationen, Prozessen, Macht oder anderen Mitarbeitenden. Dadurch erweitert sich das Wirkungsfeld einer Mitarbeiterin, ihre Visibilität nimmt möglicherweise zu. Beides kann schliesslich ihre Bedeutung (Relevanz, Signifikanz) in einem System stärken, ihr Engagement im Unternehmen kann sich dadurch multiplizieren. Verständlicherweise meinen viele Mitarbeitende dann, dass nicht dieser Platz, sondern Sie selber wichtig sind – und damit persönliche Privilegien einhergehen.

Bedeutung für die Transformation: Aufgrund von Veränderungen werden Plätze nicht mehr gebraucht oder sie verlieren an Bedeutung – mit unterschiedlichen Reaktionen: So kann sich das System selbst gegen den Eingriff in eine etablierte Ordnung wehren («hier wird niemandem gekündigt») oder Mitarbeitende beginnen, die Bedeutung ihres Platzes für das Unternehmen zu überzeichnen und starten dadurch eine meist unsachliche, politische Diskussion. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell Mitarbeitende ihren Platz im System mit ihrer persönlichen Wichtigkeit verwechseln – und damit eher Teil eines Problems als einer Lösung werden.

Mein Tipp: Achten Sie darauf, wer die Vorzüge eines Platzes («ad functionem») individualisiert und zu einem persönlichen Anrecht («ad personam») macht. Denn es sind oft diese Mitarbeitenden, die einen unverhältnismässigen Einfluss auf Veränderungsprozesse ausüben, nur um diese Vorzüge nicht zu verlieren. Transformationen werden dann beispielsweise politisiert, aus Eigeninteressen emotional aufgeladen. Führende sollten sich mittels 1:1 Gesprächen rasch einen Überblick verschaffen, welche Mitarbeitenden in diese Falle getreten sind und welche Bedeutung ihnen tatsächlich zukommt. So wird klar, welchen Inhalt die weiteren Gespräche haben werden (müssen).

Geschichte

Ein System verkörpert immer auch Historie. Es gibt einen Moment der «Geburt» und damit eine Reihe von zeitlichen Ereignissen, welche dieses System charakterisieren. Gemeinsame Erlebnisse verbinden und stärken die Beziehungen zwischen den Komponenten eines Systems.

Bedeutung für die Transformation: Transformationen erzeugen neue Ereignisse, weben neue Geschichten. Sie gefährden dadurch implizit die alten Geschichten (und Rechtfertigungsgrundlagen). Einige Systeme werden bedeutungsloser. Das zeigt sich in zynischen Bemerkungen wie «ja haben wir denn bisher alles falsch gemacht hier?» Führende von Transformationen dürfen die Geschichte nicht geringschätzen. Natürlich ist der Blick nach vorne cool, modern und voller Versprechen. Doch er wäre nicht möglich, wenn der Weg bis hierher nicht gestaltet, bewältigt und erreicht worden wäre. Dadurch zeichnet sich ein System aus. Soll es verändert werden, muss eine Brücke her, auf der Mitarbeitende den Weg in eine neue Geschichte finden und die alte Geschichte ausreichend wertgeschätzt wird.

Mein Tipp: Schreiben Sie für Ihre Transformation eine knappe Change-Story mit drei Kapiteln («gestern», «heute», «morgen») und einem Call to Action. Setzen Sie auf einfache Worte, bauen Sie eine Brücke und skizzieren sie die Bedeutung der neuen gemeinsamen Geschichte – ganz egal wie gut ausgebildet, wie akademisch oder wie erfahren die Mitarbeitenden sind. Es geht um ihre psychologische Sicherheit. Sie stehen also nicht vor einer rationalen, sondern einer emotionalen Herausforderung.

Austausch

Damit ein System eine Wirkung (Output, Outcome) erzeugt, muss es Interaktionen zulassen, Verbindungen ermöglichen und Kooperation stärken. Systeme sind quasi Börsen, an denen individuelle Kleinstkontrakte vereinbart, Actio und Reactio oder Leistung und Entlohnung ausgehandelt werden. Dieser Austausch wirkt wie eine Atmung, welche das System am Leben hält, es mit Sauerstoff versorgt. Dadurch erzielten ein System jene Wirkung, die eben grösser ist als die Summe der Wirkungen seiner Komponenten.

Bedeutung für die Transformation: Transformationen kappen zeitweise die Sauerstoffzufuhr eines Systems. Solange nicht klar ist, was gegen was getauscht wird, was wie bewertet und kontraktiert wird, verlangsamen sich Systeme – so wie ein Läufer, dem langsam die Puste ausgeht. Welche neue Systemwirkung erwarten Sie als Führende einer Transformation? Wie soll Kooperation aussehen? Wie werden Entscheidungen gefällt? Was soll das neue System erzeugen, ermöglichen, bewältigen, aufbauen? Teilen Sie diese Informationen mit Mitarbeitenden, damit sich über deren Handlungen ein neues Gleichgewicht einstellen kann – und die richtigen Leistungen kontraktiert werden.

Mein Tipp: Nehmen wir an, Sie haben ein neues Führungsverständnis entworfen, das Sie nun umsetzen möchten. Darin wird der Stellenwert des Feedbacks hervorgehoben. Sie verlangen beispielsweise, dass Führende jedes Gespräch mit einem (gegenseitigen) Feedback beenden. Damit wird Feedback zur neuen Tauschware, der eine wichtige Bedeutung zukommt. Es verliert leider rasch an Wert, wenn es nicht gegen vernünftige und begleitete Aktionen getauscht werden kann.

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