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Wem vertrauen Sie?
Viele erfahren Führungsrolle und Einsamkeit als siamesische Zwillinge. Dabei böte diese Rolle eigentlich vielfältigen Zugang zu anderen. Und je höher jemand aufsteigt, desto weniger traut er Feedback von anderen - die Einsamkeit steigt. Offenbar funktioniert hier ein sich selbst ernährender Zyklus. Doch lässt er sich durchbrechen?
Glaubt man dem Volksmund, dann wird die Luft an der Spitze immer dünner. Soll heissen, dass sich in hierarchisch organisierten Unternehmen immer mehr Macht, Verantwortung und Anerkennung auf einer Position vereinen, je höher diese angesiedelt ist. Deswegen wird der Wettbewerb der Kandidaten auf diese Positionen besonders erbittert geführt. Und in diesem Kampf ist man gut beraten, anderen Menschen nur sehr vorsichtig zu vertrauen. Sonst ist die hart erkämpfte Position schnell verloren.
Glücklicherweise sind diese machiavellischen Verhaltensmuster nicht (mehr) überall notwendig. Trotzdem bleibt die Frage, wem Führende eigentlich vertrauen können und sollen. Auch hierzu hat der Volksmund einen Rat: “Trau, schau wem!”. Doch auf was soll man denn schauen beim Vertrauen?
Fragen Sie sich selber: Wem vertrauen Sie und wem weniger? Wann entscheiden Sie, ob Sie jemandem vertrauen können? Auf diese Frage höre ich meistens Antworten wie “ja, das erkennt man erst über die Zeit” oder “ich verlasse mich da auf mein Bauchgefühl” oder auch “das ist eigentlich reine Einstellungssache”. Vermutlich haben Sie solche oder ähnliche Antworten auch gehört oder hätten sie sogar selber genutzt. Das bringt uns zur Frage, wie Vertrauen eigentlich entsteht. Wie stärken Sie Ihr Vertrauen in andere? Und wie erleichtern sie es anderen, Ihnen zu vertrauen?
“Am Anfang stand das Wort”
Verletzungen sind gefährlich. Das gilt nicht nur für körperliche, sondern auch für seelische. Deshalb versuchen wir Menschen sie zu vermeiden: Wir gehen im Dunkeln vorsichtig, um nicht zu stolpern. Wir haben Airbags, Sicherheitsgurten, Notausgänge. Wir hören uns über andere Menschen um und stellen uns selber in ein günstiges Licht. Sie können sicher ganz leicht noch weitere Beispiele nennen, mit denen wir versuchen, Verletzungen zu vermeiden.
Dieses Verhalten ist menschlich und deswegen zeigt es sich auch im betrieblichen Umfeld: Die Zusammenarbeit leidet, wenn sich Mitarbeitende nicht vertrauen. Umso wichtiger ist es, dass es Ihnen gelingt, dieses Vertrauen nicht nur zu gewinnen, sondern es auch zu stärken (und anderen zu schenken). Das folgende Bild fasst zusammen, wie Ihnen das gelingen kann:
Vertrauen entsteht in der Schnittmenge zwischen all dem, was Sie sagen, ankünden, versprechen und dem, was Sie dann tatsächlich auch liefern. Das ist vollkommen nachvollziehbar und eigentlich auch ganz simpel: Wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin etwas anderes macht, als sie (einmal) versprochen hatte, dann schwindet Ihr Vertrauen augenblicklich. Wie schmerzlich war die Erfahrung, als Sie von der Tochter oder dem Sohn zum ersten Mal angelogen wurden? Vermutlich werden Sie diesen Moment niemals vergessen.
Damit können wir nun den Bogen zur Einsamkeit der Führungsrolle schliessen. Schauen Sie einfach darauf, wer das macht, was er/sie auch gesagt hat. Das bedingt, dass Sie sich selber zurückhalten sollten, anderen zu sagen, was sie tun sollen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, diese geplanten Schritte selber auszusprechen. So fördern Sie das Gefühl der Verantwortlichkeit und setzen weit mehr Energie in Mitarbeitenden frei als mit einer simplen Anweisung. Und wie gelingt Ihnen das immer und immer wieder? Durch Fragen! Wenn Sie Fragen stellen, erhalten Sie in der Regel auch Antworten. “Wer kann was dazu beitragen, um den Ausschuss in der Produktion zu reduzieren?”
Stellen Sie mehr Fragen! Trainieren Sie, nützliche Fragen zu stellen und erkennen Sie dadurch die Kraft, Macht und Bedeutung einer Frage zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens. Das ist nicht bloss Wunschdenken, sondern erlebter Alltag. Im Austausch mit Peers erhalten viele Führende auf ihre Fragen vielfältige, hilfreiche und kompetente Antworten. Antworten die auf Erfahrungen beruhen. Das heisst selbstverständlich nicht, dass sie ohne weiteres auf andere Situationen übertragbar wären.
Darum geht es ja auch nicht. Sondern darum, dass Fragende und Antwortende einander deswegen vertrauen können, weil sie eigentlich im gleichen Boot sitzen, also niemand ein Loch in selbiges schlagen wird. Weil sich diese beiden Parteien nicht wissentlich persönlich kennen, besteht auch kein Wettbewerb, der diesen Austausch verzerren oder untergraben könnte. Und weil diese Fragen und Antworten von vielen anderen gelesen und bewertet werden – sie also quasi ein Gütesiegel erhalten. Niemand hat ein Motiv zu lügen, zu betrügen oder andere hinters Licht zu führen. Doch sie alle wollen eines: Die Einsamkeit durchbrechen.