Journal

Wie Sie Zyniker integrieren.

Viele Menschen nützen Sarkasmus, um Distanz zu den zahlreichen Aufgaben im Alltag zu wahren. Sarkasmus kann als eine spezielle Form von Humor betrachtet werden, die sich generell nicht negativ auf das Engagement der Mitarbeitenden auswirkt. Ganz anders verhält es sich bei zynischen Mitarbeitenden. Sie verwerfen (Unternehmens-)Normen und machen sich lustig darüber. Zynismus ist stets verletzend, trübt die Stimmung im Team und untergräbt die Entwicklungsdynamik. Unter Zynismus leiden letztlich alle. Erkennen Sie Zynismus frühzeitig, um ihm entschieden entgegen zu treten und eine komplette Desintegration zu vermeiden.

Die neu ernannte Projektleiterin Hanna hat die Projektziele und die dahinterstehenden Unternehmensziele in eine einfache, nachvollziehbare Geschichte verpackt (siehe Kernaufgabe TELL im T.I.G.E.R.-Führungsmodell©). Sie ist sich bewusst, dass diese Geschichte nur für Bewegung sorgt, die nun noch eine Richtung braucht. Deshalb setzt sie sich mit allen Projektmitarbeitenden zusammen und skizziert Perspektiven, welche sich für Mitarbeitende und Unternehmen aus diesem Projekt ergeben. Indem Sie die Gemeinsamkeiten der Perspektiven unterstreicht, fördert sie den buy-in und sichert sich einen Vertrauensvorschuss – mit Ausnahmen vom Experten Nic. Dieser spricht nicht nur dem Unternehmen jegliche Weitsicht ab und bezeichnet dieses Projekt als „Beschäftigungstherapie für die da oben“, sondern er meint zudem, dass es an Suizid grenze, wenn man jemanden mit der Projektleitung betraue, der kaum über die notwendigen Kompetenzen verfüge. Aber so sei es schon immer gewesen: Die Kompetenten seien in diesem Unternehmen ja noch nie weitergekommen. Die Höflinge schon. Hanna ist von den Bemerkungen derart vor den Kopf gestossen, dass sie erst gar nichts sagen kann. Da sich Nic jedoch eh nur um einen kleinen Nebenschauplatz innerhalb des Projekts kümmern soll, konzentriert sie sich auf alle anderen und lässt sich von Nic nicht weiter ablenken. Nur kommt es, wie es eben kommen muss: Als die Projektinhalte umgesetzt und durchgesetzt werden müssen, zeigen sich die einen oder anderen Fehler. Die meisten lassen sich auf falsche Annahmen in der Planungsphase zurückführen. Deshalb kommt Nic in Fahrt, denn seine ursprünglichen Vorbehalte werden allesamt bestätigt. Mit seinen inzwischen „offiziell richtigen“, zynischen Bemerkungen verunsichert er das Team, untergräbt Hannas Autorität und nutzt die allgemeine Desorientierung um sich, seine Annahmen, seine Macht und seine Kompetenz zu demonstrieren – die Projektumsetzung steht kurz vor dem Scheitern, die Mitarbeitenden wissen nicht mehr, zu wem sie nun halten sollen.

Ganz egal wie Hannas Projekt ausgehen mag, die Ursachen liegen in der Startphase. Immer wieder höre ich Klienten den gleichen Kanon singen: „Ich habe schon von Anfang an gespürt, dass diese Beziehung schwierig, unangenehm wird. Aber ich wollte nicht auf meine innere Stimme hören. Und nun habe ich viel an Energie aufbringen müssen, nur um mich wieder in der gleichen Ausgangslage zu finden.”

Was können Sie also tun?

Früherkennung

Als erstes vorne weg: Sie können und sollen Zyniker nicht eines besseren belehren. Sie sind chancenlos. Den Kampf, den Zyniker mit sich und ihrem Umfeld austragen ist nicht Ihrer. Sie sind allein dafür verantwortlich, dass die Teamperformance stimmt und sich Ihre Mitarbeitenden entwickeln können. In der Regel vergiften Zyniker ihren Brunnen. Wehren Sie sich. Doch geben Sie allen Menschen immer eine Chance: Es gibt aus meiner Sicht für Nicht-Psychologen nur einen Weg, sich mit Zynikern wirksam auseinander zu setzen: Ein Gespräch über die Vergangenheit im Unternehmen. Zyniker sind ja nicht als solche geboren, sie sind oft das Produkt genau des Systems, das sie angreifen. Hören Sie genau zu. Nehmen Sie Verletzungen wahr? Welche? Welche davon kann man quasi heilen/wiedergutmachen? Wen brauchen Sie allenfalls dazu? Und dann gehen Sie rasch vorwärts und bieten den Zynikern das an, was in ihrer Macht steht. Und dann nehmen Sie Variante 1 oder 2 in Angriff.

Variante 1: Der Satellitenansatz

Im Portfoliomanagement der Vermögensverwaltung wird oftmals der core-satellite-approach gewählt. Hier werden gegen 80% des Vermögens einer bestimmten Kernanlage zugeteilt und der Rest in komplementierende Anlagevehikel. Ziel ist es, das Risiko zu diversifizieren und so das Portfolio vor Wertschwankungen zu schützen. Der Volksmund kennt diese Strategie schon lange: „Nicht alle Eier in den gleichen Korb legen“.

Schritt 1: Genauso können Sie vorgehen, wenn Sie einen Zyniker identifiziert haben – halten Sie ihn auf Distanz. Binden Sie ihn nicht dort ein, wo er Ihnen und Ihrem Kernteam schaden kann. Positionieren Sie ihn als Satelliten. Reduzieren und kontrollieren Sie die Interaktionstiefe und –häufigkeit mit dem Kernteam. Es handelt sich hierbei nicht um eine bewusste Desintegration sondern eher um eine bewusste Teilintegration.

Schritt 2: Fokussieren Sie auf das was Sie brauchen. Formulieren Sie einen klaren, kurzen Auftrag an den Zyniker und auch eine klare Verhaltenserwartung (siehe Blog: „Die Ledermedaille„). Halten Sie beides schriftlich fest. Lassen Sie sich auf keine Diskussionen ein. Es lohnt sich nicht.

Schritt 3: Wenn Sie nicht erhalten, was vereinbart wurde, betrachten Sie die Gründe. Können Sie fachlich oder menschlich helfen, Beziehungen nützen, Rahmenbedingungen beeinflussen, dann tun Sie das. Wenn das nichts bringt, eskalieren Sie die Situation: a) ziehen Sie ihre Vorgesetzten mit ein und/oder b) trennen sie sich vom Zyniker, so wie auch ein Anleger sein Vermögen von einem Satelliten abzieht.

Bitte beachten Sie, dass die drei Schritte oben darauf ausgelegt sind, Chancen zur Kooperation zu schaffen: Für Sie, für das Team und für den Zyniker. Ich habe Parteien beobachtet, die sich mit diesem Ansatz sehr gut arrangieren und eine minimale, konstruktive Zusammenarbeit etablieren konnten. Massgebend sind Ihre Erwartungen an ein Team sowie Ihre persönliche Toleranzgrenze.

Variante 2: Stilles Akzept

Über diesen Begriff bin ich vor vielen Jahren in meinem Grundstudium der Betriebswirtschaft gestolpert (Grundvorlesung Privatrecht). Ohne ausgebildeten Juristen zu Nahe zu treten, umschreibe ich das stille Akzept folgendermassen: Gewisse Fakten im Rahmen eines Handels (Kauf, Finanzierung, etc.) müssen von der Gegenpartei nicht explizit bewilligt oder gutgeheissen werden, sondern gelten nach einer Frist automatisch. Sie wurden still oder indirekt akzeptiert. Auf diese Weise kommunizieren in der Schweiz die Krankenkassen alljährlich Ihre steigenden Prämien: Sie erhalten eine neue Police und wenn Sie diese nicht akzeptieren wollen, müssen Sie aktiv werden, austreten und eine neue Kasse suchen. Wenn Sie innerhalb einer Frist nichts unternehmen, gelten die neuen Prämien als (still, indirekt) akzeptiert.

Wenn Ihnen Variante 1 nicht zusagt, können Sie Zyniker indirekt integrieren, indem Sie diese Integration fassbar, beobachtbar machen.

Im Projektteam: Lancieren Sie ein Projekt mit einem Kick-Off und fotografieren Sie alle Mitarbeitenden. Setzen Sie das Bild in den Projektnewsletter oder nützen sie es für ein anderes Medium, mit dem Sie die unterschiedlichen Parteien orientieren möchten. Sollten Sie kein Foto einsetzen können (weil Sie keines haben oder weil die Mitarbeitenden dies nicht wünschen), dann fügen Sie dem Newsletter eine Mitarbeiterliste bei mit allen Namen sowie dem jeweiligen Auftrag im Projekt.

Im Linienteam: Geben Sie den Zynikern Aufträge, die explizit das Team unterstützen. Werden diese Aufträge konstruktiv erledigt, dann hat sich für Sie das Thema „Integration“ bis auf weiteres erledigt. Sorgen Sie dafür, dass Teamfeedback an die Zyniker erfolgt. Seien Sie nicht besonders nett oder versuchen Sie nicht, den Zynikern die Augen zu öffnen. Liefern Sie einfach nur Fakten. Werden die Aufträge hingegen nicht, teilweise oder ungenügend erledigt, haben Sie eine feste Grundlage, um Kritik zu üben und ein anderes Verhalten einzufordern. Halten Sie alle Vereinbarungen schriftlich fest.

Ziel ist es immer, Mitarbeitende zu integrieren, so dass sie ihr KnowHow einbringen können. Eine Trennung ist immer als letzter Schritt zu sehen. Suchen Sie vorerst das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen (und auch mit Vorgesetzten). Hinterfragen Sie Ihre Stellung und Meinung. Sind sie danach weiterhin der Meinung, eine Trennung sei das Beste für alle, dann ziehen Sie ihren Entscheid durch. Sie werden immer Unterstützung erhalten, denn Zyniker stehen bei niemandem auf der Wunschliste.

Fazit: Schaffen Sie integrierende Fakten. Wenn andere Menschen diese Fakten nicht mögen oder unterstützen wollen, sich also aus der Leistungsverantwortung und Integration ziehen möchten, müssen sie sich explizit bei Ihnen melden. Ansonsten gilt eben stilles Akzept. Auf dieses können Sie sich immer wieder berufen, sollten die Zyniker die Ziele und Unternehmensnormen nicht durch ihr Verhalten mittragen helfen. So schaffen Sie sich eine „offizielle Situation“, um diesen Desintegrationsversuchen entgegenzutreten – oder sie gezielt und fundiert zu beschleunigen.

More articles